Beitrag vom 24/01/2024

#businesstolove – We are family! Echt jetzt?

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Stell dir vor: du hast einen schönen Artikel gelesen. Thema #businesstolove, mehr Liebe am Arbeitsplatz. Coole Sache, denkst du. Endlich kommt noch jemand anderes drauf – wir sind bei uns im Betrieb schon längst eine Familie. Wir haben uns alle gern und arbeiten hervorragend zusammen.

Frohgemut trabst du in dein Unternehmen. Eine wichtige Sitzung steht an. Und am Ende dieser Sitzung teilt dir ein*e wichtige*r Mitarbeiter*in mit, dass er*sie kündigt. Eine neue Herausforderung, jetzt schon lange im Betrieb, keine Entwicklungsmöglichkeiten… Du bist praktisch taub und die Wut kocht hoch. Was du nicht alles für diesen Menschen geleistet hast, und jetzt wagt der*die einfach zu kündigen! (Das Ganze funktioniert natürlich auch umgekehrt mit dir als Mitarbeiter*in, der*die immer vollen Einsatz gegeben hat – und dann wird dir die «Liebe» gekündigt).

Die Frage stellt sich: heisst mehr Liebe am Arbeitsplatz, dass das Unternehmen zu einer Art Familienersatz werden sollte? Bitte nicht! Eine Familie ist per Definition eine Form der Zwangsgemeinschaft. Mensch will nicht Teil der Familie sein, mensch ist es. Eine Organisation ist eine Willensgemeinschaft. Sobald eine Organisation zu einer Familie werden soll, wird eine Grenze überschritten (für eine ausführliche Betrachtung lohn sich dieser Artikel von Daniel Frei.

Aber wo Liebe draufsteht, sind Gefühle drin – was ist damit? Wer liebt, lässt sich ein. Das ist der Sinn von #businesstolove. Und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass irgendeinmal seitens Organisation festgestellt wird, dass die Zusammenarbeit nicht mehr weiterführt. Dass die Erwartungen andere sind. Dass eine Entwicklung angestrebt wird, die das Gegenüber nicht mitgehen will. Oder der*die Mitarbeitende stellt fest, dass sie an Entwicklungsgrenzen stösst, dass das Unternehmen eine Richtung eingeschlagen hat, die mensch nicht nachvollziehen will. Und dann… trennt mensch sich von der Organisation oder umgekehrt. Und ja – es ist durchaus möglich, dass es böses Blut gibt. Möglicherweise Unverständnis, Wut, Verzweiflung. So wie dies eben ist, wenn nicht alle immer gleicher Meinung sind. So wie es heute auch schon bei vielen Kündigungen der Fall ist. Nur, dass die Zeit vorher geprägt war von einer, wie ich überzeugt bin, etwas besseren Beziehung. Und auch einer produktiveren Zusammenarbeit!

Und noch was, liebe Leute: Demut und Dankbarkeit. Manchmal kommt es mir vor, als ob wir in der Geschäftswelt zu kleinen Kindern werden, die trotzig mit rotem Kopf dastehen, Tränen in den Augen, weil das liebgewonnene Spielzeug von Anderen genutzt wird… wollen wir das? Sind wir das?

Ich – um Worte ringend: #businesstolove macht das (Arbeits-)Leben nicht einfacher. Aber wertvoller. Und es mach die Arbeit effektiv. Und wohlgemerkt: effektiv ist nicht effizient. Und effizient ist nicht gleich intelligent. (So viel zur Diskussion, ob Home Work effizienter oder ineffizienter macht – welch ein Schmarrn. Seit wann geht es darum, effizient zu sein?)

Sprich: #businesstolove ist nicht verliebtes Herzflattern. Schon gar nicht irgendein Familiending. #businesstolove ist Arbeit. Vor allem an sich selbst!

Illustration: Laura von Känel

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Die Kinder haben recht: Die Liebe ist das Einzige, was zählt, und darum setzen wir unsere Prioritäten nochmals neu: von B-to-B (Business-to-Business) über B-to-C (Business-to-Consumer) zu B-to-L, «Business-to-Love».
François-Henry Bennahmias (CEO Audemars Piguet)