Beitrag vom 23/08/2023

Die Flagge: Ein Stück Stoff

Featured image for “Die Flagge: Ein Stück Stoff”

Gedanken zu Identität und Identifikation

Gerade ist die Fussball Weltmeisterschaft zu Ende gegangen. Bekannt: 22 Frauen rennen einem Ball mehr oder weniger strukturiert hinterher… Faszinierend: sie tun dies für ein Land, in das sie zufällig geboren wurden oder um dessen Anerkennung sie oder ihre Eltern sich meist sehr umfassend bemühen mussten. Wir schreiben den Spielerinnen eine gemeinsame Identität aufgrund einer Zufälligkeit zu und sie identifizieren sich mit dieser Zufälligkeit.


Der Wert einer stimmigen Identität ist in der Unternehmenswelt mittlerweile geläufig und es wurde in den vergangenen Jahren viel Geld investiert, um sich eine zu erarbeiten. Die Marke. Sie symbolisiert das Unternehmen dessen Identität, Werte und Kultur. Gut gemacht, oder?


Stellen wir uns einen Kindergarten vor, der sich eine verbindende Identität geben will und dazu Alle (Kinder und Erwachsene) einlädt eine Fahne als gemeinsames Symbol zu malen. Die Eltern werden zu einem Fest eingeladen und die Fahne, und für was sie steht, wird vorgestellt. Auch bei der Bevölkerung wird die Fahne durch einen Zeitungsartikel im Lokalblatt bekanntgemacht. Und dann… der Alltag: die Kinder müssen für den Schuleintritt vorbereitet werden, es kommen neue Kinder, eine Umstrukturierung des Kantons, Umzug in ein neues Gebäude, Schuleintritt, neue Kinder, neues Personal… Die Fahne flattert im Wind. Und für was sie steht, wird zu einer Erinnerung.

Vielleicht noch erwähnenswert: wären Unternehmen Kindergärten, dann hätten bei nicht wenigen die Kindergartenleiter:innen die Fahne von externen Künstlern malen lassen – und zwar so, dass die Fahnen vor allem ihnen gefällt. Die Kinder würden vermutlich (aber keineswegs sicher) mit ihren Eltern zum Anlass eingeladen, an dem die Fahne und ihre Bedeutung für die neugeschaffene Identität des Kindergartens vorgestellt wird. Für die Bevölkerung wäre entweder ein grosses Fest für die Bekanntmachung der neuen Fahne organisiert worden oder man hätte ein Pressecommuniqué an alle vermeintlich relevanten Medien gesendet in dem der Wert der neuen Fahne ausführlich erklärt wird. Die Fahne flattert im Wind.

Doch mir stellen sich Fragen: Wird so aus einem Stück Stoff, eine Fahne, für die sich ein Team zerreisst? Für die Menschen sich begeistern? Die Identität stiftet? Und zwar nicht nur an einer Weltmeisterschaft, sondern auch im Alltag (oder zumindest an der nächsten Europameisterschaft, 2025 übrigens in der Schweiz)? Und warum funktioniert das mit der Nationalflagge? Was braucht es, dass Mensch sich mit einer Marke identifiziert? Reicht es einfach eine Identität zu haben und diese, um es neutral zu formulieren, zu kommunizieren?

Illustration: Laura von Känel

k
Die Kinder haben recht: Die Liebe ist das Einzige, was zählt, und darum setzen wir unsere Prioritäten nochmals neu: von B-to-B (Business-to-Business) über B-to-C (Business-to-Consumer) zu B-to-L, «Business-to-Love».
François-Henry Bennahmias (CEO Audemars Piguet)