
«Unsere Kultur wird den Ansprüchen der heutigen Zeit nicht mehr gerecht. Sie ist nicht mehr zukunftsfähig. Wir brauchen eine neue Kultur. Könntest du mir ein Angebot machen? Wir wären froh, wenn das Projekt in einem halben Jahr durch wäre.» Schön wär’s. In den folgenden Wochen mache ich mir ein paar Gedanken zum Thema Unternehmenskultur und kulturellen Transformationsprozessen. Beginnen möchte ich mit der Frage: Was macht eine Unternehmenskultur eigentlich aus?
Kultur ist letztendlich eine Ansammlung von menschlichem Handeln. Und dieses Handeln muss sich lohnen. Grob Edgar Schein, der Koryphäe für Unternehmenskultur, folgend, entsteht eine Unternehmenskultur wie folgt:
- Durch die Gründer*innen werden Haltung und Werte repräsentiert, die gewisse Handlungen begünstigen und andere verhindern oder verurteilen. Z.B. die Überzeugungen, das Langschläfer faul sind. Daher beginnen wir frühmorgens zu arbeiten.
- Ist das Unternehmen erfolgreich, setzen sich die Handlungen, die von den Meisten im Unternehmen, und insbesondere von den Gründer*innen als dafür massgebend betrachtet werden, fest. Sie werden selbstverständlich. Sprich: es kommt niemand nach 7 Uhr zur Arbeit.
- Mit den Jahren werden aus diesen selbstverständlichen Handlungen unausgesprochene Annahmen. Das heisst, wer nach 7 Uhr zur Arbeit kommt, wird als schlechte Arbeitskraft wahrgenommen.
Die unausgesprochenen Annahmen machen eine von drei Ebenen einer gelebten Kultur aus:
- Die unausgesprochenen Annahmen bilden die Basis einer Kultur. Sehr of sind sie den in der Gruppe involvierten nicht mehr bewusst. Sie sind «einfach so» und mit der Gewissheit verbunden «anders geht es gar nicht». So nach dem Motto: die Erde ist rund und wir kommen vor 7 Uhr zur Arbeit.
- Darauf aufbauend werden Werte, Strukturen, Prozesse, Strategien, Personalreglemente usw. definiert und sehr oft auch niedergeschrieben. Hierbei handelt es sich um die öffentlich propagierten Werte. Schein nennt sie auch bezeichnend: «propagierte Rechtfertigungen». Auf dieser Ebene wird es dann meist spannend. In unserem Beispiel steht nämlich nirgends, dass man bis um 7h bei der Arbeit sein muss. Es steht: «Wir sind ein moderner Betrieb und wir haben Gleitzeit. Mensch kann kommen wann er*sie will».
- Die sogenannten Artefakte sind die Manifestation der Unternehmenskultur. Sie versinnbildlichen sie. Manchmal sind sie sehr einfach zu entschlüsseln (z.B. wenn jeder Vorgesetzte sein eigenes Büro hat, je grösser das Büro desto höher der Vorgesetzte). Aber, um auf unser Beispiel zurückzukommen: ist der täglich um 6:45 Uhr frische Gipfeli bringende Bäcker Zufall?
Kultur wird durch die unausgesprochenen Annahmen bestimmt und die Artefakte symbolisiert. Unsicherheiten entstehen durch Widersprüche zwischen den Ebenen.
Ich, nach Luft schnappend: Es gibt unterschiedliche Modelle was Kultur ist. Und Kultur ist keine Mathematik, daher gibt es kein Richtig und Falsch. Wichtig sind mir folgende Sachverhalte: Kultur ist nicht einfach. Ein Konzept ist keine Kultur. Und etwas das sich über Jahre aufgebaut hat, lässt sich nicht in ein paar Monaten ändern…
Illustration: Laura von Känel