Beitrag vom 27/02/2024

Welchen Wert haben Werte?

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In dem sie ihre Werte definiert, will die Führung für die Organisation eine berechenbare, verlässliche und somit wertschätzende Kultur aufbauen. Darauf aufbauend soll eine höhere Wertschöpfung erwirtschaftet werden. Studien zeigen, dass die Kausalität vorhanden ist. Und Berater*innen bestätigen dies sowieso. So weit sind wir uns wohl alle einig.  Und doch – ist es nicht ein bisschen wie mit der Klimaerwärmung oder der politischen Teilhabe? Alle sind sich einig, aber keine*r will so richtig mitmachen.

Warum eigentlich? Hier ein paar Thesen zum Abschuss freigegeben:

  • Die Führung und ihre Berater*innen sind zu faul zum Nachdenken. Unternehmenswerte wie Ehrlichkeit, Vertrauen oder Respekt finde ich immer wieder bemerkenswert. Erstens, warum sollte man Werte ins Zentrum rücken, die als gegeben angenommen werden oder für die Branche selbstverständlich sind? Ein ehemaliger Geschäftspartner hat dazu immer gesagt: Traue keinem Spital, das sich den Wert «Hygienisch» auf die Stirn schreibt. Und zweitens, gibt es tatsächlich keine spezifischeren Werte, die für das gesamte Unternehmen Gültigkeit haben könnten? Oder war mensch schlicht zu faul sie zu suchen? Ich tippe auf Letzteres.
  • Werte sind keine Floskeln. Innovation ist kein Wert. Teamarbeit auch nicht. Im besten Fall lässt mensch sie links liegen. Im schlechteren Fall werden sie in der Organisation ernst genommen und alle verstehen etwas anderes darunter. Werte müssen scharf und ausführbar formuliert werden, damit alle in der Organisation das Gleiche darunter verstehen. «Neugierig bleiben», «miteinander erfolgreicher» – darunter kann ich mir was vorstellen. Und das ist nicht das Gleiche wie «die Speerspitze der Branche sein» oder «Gemeinsam besser werden».
  • Wenn es hart auf hart kommt, gelten andere Werte. Viele Führungskräfte unterschätzen die Tragweite und Dynamik der von ihnen gesetzten Werte. Und spätestens während der nächsten Krisensituation werfen sie sie leichtfertig über Bord, weil sie den Umsatz steigern oder Arbeitsplätze absichern müssen. Und es wird offensichtlich, dass die Werte nur Makulatur sind – mensch muss sich nicht daranhalten.

Die Konsequenzen sind vielfältig und schwerwiegend. Die Fluktuation der Mitarbeitenden ist höher, die Organisation ist als Arbeitgeberin austauschbar, es wird schwieriger die geeigneten Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Und dies trotz der Tatsache, dass umgesetzt wurde, was der*die Berater*in gesagt hat.

Ich, genüsslich Karotten essend: Wer Werte für eine Organisation definieren will, sollte sich im Klaren sein, welche persönlichen Werte er*sie hat. Nicht die Offiziellen, die Klingenden – die, die mensch herumreichen kann. Sondern die Echten. Die, die zählen, wenn es darauf ankommt. Und wichtiger noch zu klären: Wofür braucht denn unsere Organisation überhaupt Werte? Welche Aussage wollen wir damit machen? Und was wollen wir damit eigentlich bewirken?

Illustration: Laura von Känel

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Die Kinder haben recht: Die Liebe ist das Einzige, was zählt, und darum setzen wir unsere Prioritäten nochmals neu: von B-to-B (Business-to-Business) über B-to-C (Business-to-Consumer) zu B-to-L, «Business-to-Love».
François-Henry Bennahmias (CEO Audemars Piguet)