Beitrag vom 01/11/2024

Was ist eine gute Unternehmenskultur?

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Agilität, Home Office, Transparenz, Eigenverantwortung, Selbstwirksamkeit, Leadership… das sind nach Meinung vieler, die Elemente, die eine gute, damit selbstredend auch mitgemeint, fortschrittliche, zukunftsweisende Unternehmenskultur ausmachen. Das sind die Werte, die propagiert werden. Doch werden sie auch gelebt? Und sind sie tatsächlich so überlebensnotwendig? Was ist eine gute Unternehmenskultur? Gibt es sie überhaupt?

Unternehmen sind ein Ökosystem

Betrachtet mensch Kultur als ein Ökosystem, also ein komplexes System in dem verschiedene, vielfältige Elemente sich gegenseitig beeinflussen und dadurch eine fein abgestimmte, stabile Lebenswelt bilden, dann gibt es kein gutes oder schlechtes Ökosystem. Es gibt Lebensformen, die in diesem Ökosystem perfekt funktionieren, solche die darin zugrunde gehen, andere die mehr schlecht als recht überleben und es gibt Lebensformen, die das Ökosystem so sehr aus dem Gleichgewicht bringen, dass sie es verändern.

Übersetzt heisst dies, dass wir als Arbeitskräfte in den Organisationen in denen wir tätig sind, auf ein Ökosystem treffen und dieses beeinflussen, sowie auch von diesem beeinflusst werden. Die Stärke und Qualität der Beeinflussung ist von uns wie von der Kultur der Organisation abhängig. Und die Kultur der Organisation letztendlich von allen Menschen, die in dieser Organisation tätig sind. Um die Komplexität weiter zu erhöhen: auch die Geschichte der Organisation, die Kunden, die Gesetzgebung, die Gesellschaft, gesellschaftliche Trends, Lieferanten, technische Errungenschaften usw haben alle Einfluss auf dieses System.

Daher bin ich immer wieder erstaunt, wenn die Diskussion um Home Office (oder kein Home Office) zu einer Überlebensfrage hochstilisiert wird. Wenn gute, zukunftsfähige Kultur mit Agilität gleichgesetzt wird. Oder wenn der einzig akzeptable Führungsstil (wenn es Führung noch geben soll) der coachende sein soll. Weil es kommt doch drauf an, wer dort arbeitet, was gearbeitet wird, wer die Kunden sind, was diese brauchen, in welcher Umwelt die Organisation arbeitet, welche Werte gelebt werden sollen, welche rechtlichen Einschränkungen und Möglichkeiten es gibt…

Gute Unternehmenskultur = erfolgreiches Unternehmen

Daher ist die Frage nach einer guten Unternehmenskultur ebenso widersinnig wie die nach einem guten Ökosystem. Ist die Wüste ein gutes Ökosystem – fragt sich für wen. Es gibt erfolgreiche Ökosysteme und Unternehmen. Die anderen gibt es nicht mehr. Im ersten Fall hat das mit Naturgesetzen zu tun, im zweiten mit dem vorherrschenden Wirtschaftssystem. Ersteres ist ein Fakt. Bei Letzterem wird in den genannten Diskussion das Wirtschaftssystem quasi als Naturgesetzt hingenommen. Ich möchte hier darauf hinweisen: das ist es nicht!

Eine gute Unternehmenskultur verfügt über einen stabilen Kern und kann sich laufend den Erfordernissen anpassen.

Aber zurück zum Thema: was heisst das für unsere Diskussion? Ist es egal, ob wir uns für Home Office oder agile Arbeitsformen einsetzen? Soll weiterhin direktiv geführt werden? Ist es ratsam, dass sich Vorgesetzte weiterhin in die fürsorgliche oder strenge oder kontrollierende Elternrolle und Mitarbeitende in die fügsame, rebellierende oder trotzige Kinderrolle begeben?

Es kommt darauf an… und genau darum geht es. Kultur und die Veränderung einer Unternehmenskultur basiert auf äusseren Notwendigkeiten, Können und Wissen im Unternehmen, sowie dem Willen nicht nur Neues zu lernen, sondern auch Altes und Bewährtes zu verlernen. Es gilt herauszufinden welche Ressourcen die bestehende Kultur für die Zukunft bereithält und wo sie eine zukunftsfähige Strategie verhindern kann. Und es muss auch kritisch hinterfragt, ob die gewählte Strategie für das Unternehmen wirklich die richtige ist – mit Blick auf die Kultur.

Ich in der Wüste den hier lebenden Käfer betrachtend: Wenn es etwas gibt, dass dem Bild einer guten Unternehmenskultur entspricht, dann ist es die Kultur, die sich stets bewusst ist, dass die Lösung von heute, die Herausforderung von morgen sein wird. Die in ihrem Kern sich seiner selbst so gewiss ist, dass sie sich bei Bedarf laufend verändern kann.

Illustration: Laura von Känel

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François-Henry Bennahmias (CEO Audemars Piguet)